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Die Welt heute

Nimmt man den 1. Mai, immerhin internationaler Kampftag der ArbeiterInnen, zum Anlass über die derzeitige Situation der Welt zu reflektieren, so scheint es zuerst schwer, Positives zu entdecken. Noch immer erschüttert die kapitalistische Krise die meisten Staaten der Welt und da eine Wirtschaftskrise zuerst immer eine Krise im Leben der Lohnabhängigen ist, wird dies durch erhöhte Arbeitslosigkeit, sinkenden Löhne und Verelendung breiter Bevölkerungsschichten ersichtlich. Natürlich ist aber auch das Kapital von der Krise betroffen, auch dort gibt es „Verlierer“ die pleite gehen, aber eben auch viele Gewinner, sodass es zu einer verschärften Konzentration von Reichtum kommt. Es ist also kein Zufall, dass genau zum Zeitpunkt der Krise die Kluft zwischen Arm und Reich schockierend schnell wächst: Vom kommenden Jahr an werde das reichste Prozent der Weltbevölkerung mehr als die Hälfte des weltweiten Wohlstands besitzen, erklärte die Nichtregierungsorganisation Oxfam. Weil durch die fortschreitende Automatisierung der Produktion immer mehr Arbeit überflüssig wird, geraten weltweit die Löhne und Lebensbedingungen der ArbeiterInnen unter Druck. In Deutschland leben beispielsweise mehr als drei Millionen Menschen unterhalb der Armutsschwelle, obwohl sie erwerbstätig sind.

Die überflüssigen Milliarden

Zwar hat es der Kapitalismus geschafft, sich über den gesamten Globus auszudehnen und die Welt nach seinem Bilde umzugestalten, aber ganze Regionen und die dort lebenden Menschen sind zur weiteren Verwertung nicht interessant: einige Regionen Afrikas und der Nahe Osten fallen zunehmend aus den weltweiten Wirtschaftskreisläufen heraus, den Menschen dort fehlt jede Möglichkeit sich nach den Regeln des Kapitalismus über Wasser zu halten. Schlimmer, als sich im Betrieb ausbeuten zu lassen, ist es in diesem Wirtschaftssystem nämlich, nicht einmal dazu die Möglichkeit zu haben –
also arbeitslos zu sein. Denn wer keine Arbeit hat, ist in der Logik des Kapitalismus überflüssig. Das ist das Schicksal von immer mehr Menschen auf der ganzen Welt und als Überflüssige werden sie auch behandelt.

Im Kapitalismus wird nicht für die Bedürfnisse der Menschen, sondern nur für den Verkauf von Waren produziert. Wer also, wie die „überflüssigen Milliarden“, keine Möglichkeit zum Gelderwerb hat, für den wird auch nicht produziert. Die steigende Produktivität, die ja eigentlich allen ein besseres Leben ermöglichen könnte, verschlimmert so deren Situation vielmehr: Weil immer weniger Menschen gebraucht werden, um die wachsenden Warenberge herzustellen, erhalten auch immer weniger Menschen einen Lohn, um an diesem Reichtum überhaupt teilzuhaben. So zerfallen ganze Gesellschaften: Vor dem politischen Kollaps der arabischen Staaten lag die Arbeitslosenquote dort jenseits der 25%.

Der Wachstumszwang und die Endlichkeit des Planeten

Wirtschaftliches Wachstum ist Grundlage für das Funktionieren des Kapitalismus – Wachstum ist im Kapitalismus ohne jede Alternative. Dieser Zwang, immer mehr zu produzieren, hinterlässt immer gravierendere Spuren. Auch wenn mittlerweile kaum noch jemand die Umweltkatastrophe leugnet, auf die wir zusteuern, ist innerhalb des Kapitalismus kein Kurswechsel möglich. Das zeigt sich am besten am Beispiel der „Klimarettungsmaßnahmen“: Alle Staaten sind sich immer einig, dass die CO2-Emissionen gesenkt werden müssen und haben sich vertraglich dazu verpflichtet.
Nichts davon führte je zu einem realen Rückgang von Treibhausgasemissionen, im Gegenteil. Nur in einem einzigen Jahr sanken global der Ausstoß von CO2, nämlich 2009, als zu Beginn der gegenwärtigen Krise weltweit das Wirtschaftswachstum einbrach. Das zeigt: Die vielbeschworene Klimarettung ist im Kapitalismus nicht möglich. Die notwendigen Emissionsminderungen würden einen Bruch mit dem ökonomischen Wachstumszwang notwendig machen.
Es gibt keinen „grünen Kapitalismus“!

Die Massenflucht aus dem kollabierenden globalen Süden

Außerhalb der Industrienationen nehmen bewaffnete Konflikte, Dürre- und Sturm- und Flutkatastrophen, Hungersnöte und Armut zu. In den ökonomisch und politisch zerfallenden Randbezirken des kapitalistischen Weltsystems – zynisch „dritte Welt“ genannt – gibt es für große Teile der Bevölkerung schon längst keine Zukunft mehr. Hunderttausende Menschen machen sich deshalb in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg nach Europa. Über 51 Millionen Geflüchtete weltweit sind kein zu akzeptierender Normalzustand, sondern Ausdruck einer eskalierenden globalen Krise. Armut und Not sind keine Naturkatastrophen, sondern Resultate des kapitalistischen Systems. Es gilt nicht, die Flüchtlinge zu bekämpfen, sondern das System, das Menschen zur Flucht zwingt.

Schrecken ohne Ende: Die Zukunft im Kapitalismus

Vor 25 Jahren hieß es, mit dem Ende des Ost-West-Konflikts würde es auch keine großen Kriege mehr geben. Das war offensichtlich schon in den 90ern falsch, heute aber wirkt die Behauptung geradezu grotesk. Kaum eine Weltregion, in der nicht irgendwo Bürgerkrieg herrscht, nicht einmal Europa ist noch die Insel des Friedens, für die man sie lange hielt. Selbst die herrschende Politik leugnet dies nicht. Finanzminister Schäuble etwa – sonst für seinen rigorosen Sparkurs berüchtigt – kündigte an, ab 2017 mehr Geld für die Bundeswehr bereitzustellen: Die Welt sei „ein gefährlicherer Ort geworden.“

Angesichts solcher Bankrotterklärungen der herrschenden Politik, die auf das globale Elend nur die martialische Antwort der immer weiter steigenden Rüstungsausgaben kennt, ist es kein Wunder, dass das bürgerliche Glücksversprechen seine Anziehungskraft verloren hat. So sind die heute jungen Menschen die erste Generation in der Bundesrepublik, die nicht mehr glauben können, es einmal besser als die Eltern zu haben. Für sie klingen selbst die moderatesten Forderungen, wie etwa die 35-Stunden-Woche, nach einer unerreichbaren Utopie. Festanstellung, ein Häuschen im Grünen und eine sichere Rente sind für immer mehr Menschen einem Wechselspiel aus Arbeitslosigkeit, Zeitverträgen, Leiharbeit und unbezahlten Praktika gewichen.

Der unerfüllbare Traum von der sozialen Marktwirtschaft

Ein Zurück in eine „gute“ und gerechtere soziale Marktwirtschaft, wie sie so viele fordern, kann es aber nicht geben. Das sogenannte Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit, auf das sich viele Befürworter eines „gerechten“ Kapitalismus berufen, war eine auf wenige westliche Länder beschränkte Ausnahmesituation, für die es heute keine Grundlage mehr gibt. Das Kapital steckt seit den 1970er Jahren in einer dauerhaften Verwertungskrise, gekennzeichnet durch die massenhafte Produktion von Waren für die es keine KäuferInnen gibt. Zwar kaschiert eine künstliche Nachfrage, die durch immer wahnwitziger anmutende Schuldenberge finanziert wird, diese Krise – das ihr zu Grunde liegende Problem ist aber nichtsdestotrotz real und lässt eine zweite goldene Phase des Kapitalismus nicht zu.

Menschenfeindliche Reaktionen auf die Misere

Da das Glücksversprechen des Kapitalismus bröckelt und zur Durchhalteparole verkommt, gleichzeitig die sozialistischen Bewegungen auch in der „Dritten Welt“ zunehmend verschwinden, wenden sich viele Menschen anderen „Weltanschauungen“ und Bewegungen zu. Diese fallen aber oft hinter die Errungenschaften der bürgerlichen Demokratie zurück: Offen menschenfeindliche Ideologien wie der Islamismus, der Hindu-Nationalismus, das evangelikale Christentum usw. begeistern nun unzufriedene Massen. Auch in Europa gewinnen reaktionäre Bewegungen immer mehr an Bedeutung. So gab es etwa in Deutschland 2014 mehr als 150 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte und fast wöchentlich kommt es zu rassistischen Demonstrationen – oft mit Duldung und Unterstützung der gesellschaftlichen Mitte.

Die Notwendigkeit einer revolutionärenden Perspektive

Als Antwort auf die sich zuspitzende Krise und die Austeritätspolitik kam es aber in den vergangenen Jahren weltweit auch auch zu massiven sozialen Kämpfen. Bilder des durch Protestierende belagerten Parlaments in Athen dürften noch etlichen Menschen im Gedächtnis sein. Im vergangenen Jahr kam es in den Balkanländern zu einer kurzen, aber wütenden Erschütterung der Staaten, woraufhin sich Versammlungen von Sarajevo bis Tuzla bildeten. Am eindrucksvollsten und kontroversesten artikulierte sich das im „Arabischen Frühling“: Begonnen von säkularen Kräften wurde der Versuch unternommen, sich der Willkür der Diktatoren zu entledigen. Mittlerweile sind viele dieser Bewegungen jedoch von neuerlichen Diktaturen (Ägypten) oder Bürgerkriegen (Syrien) überrollt worden. Auch die anderen globalen Protestbewegungen von Hongkong über die Türkei bis Brasilien waren bisher nicht erfolgreich. Diese Beispiele zeigen einerseits, dass die Bewegungen noch lokal isoliert sind und begrenzte Ziele verfolgen, sie machen aber auch deutlich, dass sich im gemeinsamen Kampf die individuellen Ängste in kollektiven Widerstand verwandeln können – abseits von Institutionen wie Gewerkschaften und Parteien und abseits des Staates. Mitunter kann darin eine Gesellschaft anklingen die nicht mehr der Logik „JedeR gegen JedeN“, sondern dem Prinzip „Alle für Alle“ folgt. Eine Gesellschaft, in der alle Menschen „ohne Angst verschieden sein können“.

Das klingt weit weg und utopisch und für eine befreite Gesellschaft gibt es keine Blaupause – die autoritären Regime des realsozialistischen Ostens sollten ein mahnendes Beispiel sein. Doch nach 200 Jahren technischem Fortschritt im Kapitalismus gibt es keinen materiellen Grund mehr, warum Armut und Verzweiflung noch die Menschheit plagen müssen – die technischen Mittel, den Kapitalismus zu überwinden sind längst da. Und die einzige Alternative ist eine Horrorvision: Das unendliche Fortdauern des unzähmbaren, zerstörerischen Kapitalismus.